Ukraine- Hilfe- Ein Reisebericht

Mit Simone Faber und der „Christlich humanitären Bruderhilfe“ sind wir seit Jahrzehnten verbunden und unterstützen Suppenküchen und andere Hilfsprojekte in der Ukraine. Hier der Einsatzbericht ihres Sohnes:

Mein Name ist Jonathan Faber, 29 Jahre alt und ich bin der Sohn von Simone Faber.

Im folgenden Text möchte ich Ihnen/Euch einen kleinen Einblick geben, wie meine Reise in die Ukraine verlief.
Ich machte mich am Freitagmorgen gegen 6 Uhr mit meinem Bruder Samuel auf den Weg, um einen Hilfstransport in die Ukraine zu starten.

Wir fuhren als Erstes nach Polen/Krakau um dort unseren Kontakt zu treffen und dort zu schlafen.
Samstagmorgen um 6 Uhr starteten wir Richtung Korczowa-Krakowiec. Das ist der Grenzübergang zur Ukraine, welcher mir ja durch vorherige Reisen bekannt war.
Nur nicht in diesem Ausmaß. Schon als wir auf polnischer Seite den Grenzübergang befuhren, sahen wir Massen an Menschen, die auf ihren Bus warteten. „Die haben es schon geschafft…“ haben mein Bruder und ich uns gesagt. „Wer hier steht, hat das Schlimmste bereits hinter sich“. Doch wie schlimm das ganze Ausmaß dieses sinnlosen Krieges ist, hätten wir uns im Leben nicht ausmalen können.

Wir reisten also aus Polen aus und in die Ukraine ein.
Nach Pass und Ladungskontrolle stoppten wir noch als freiwillige Helfer im Grenzgebiet. In einem großen gelben Pavillon wurden Schokoriegel/Brot/Obst/Getränke abgeladen und unter anderem heißes Wasser für die Zubereitung von Schwarztee gekocht.
Wir machten uns dann anschließend für knapp 3 Stunden vor Ort auf den Weg, um das Essen oder den noch heißen Tee zu verteilen, was ein Segen war, denn es waren knapp 1-2°C und der Wind war unerbittlich kalt. Einzige Voraussetzung hierfür war eine Warnweste. Ok dachten wir, die haben wir ja im Auto, somit ging es los.
Wir überschritten die Grenze und ich musste erst einmal verstehen, was hier gerade für ein Film läuft. Aber nein das war die Realität…! Überall waren Menschen, die ihr Land verlassen mussten. Es waren Zelte zur Notversorgung aufgestellt, alles war überfüllt. Massen an Müll lagen herum, der teilweise gleich in alten Ölfässern verbrannt wurde.
Aller 15-30 min wurden die Leute blockweise durch den Grenzzaun Richtung Passkontrolle geleitet.


Anschließend führte uns unser Weg weiter nach Lwiw, dem Konvoi hinterher. An der „Abladestelle“ angekommen, wurden alle Güter erst einmal grob sortiert. Also wurde unser Auto so gut wie leer, andere Busse wurden völlig spontan und alles unter Zeitdruck umgeladen, denn viele Medikamente und Verbandsmaterial wurde zur Polizei gebracht, welche dann das Material an das Militär übergab. Währenddessen viel Zeitdruck, weil es dunkel wurde und damit die Zeit beginnt, in der der Russe angreift.

Wir waren anschließend am Bahnhof in Lwiw angekommen, was eine völlige Herausforderung war.
Ein Konvoi aus mehreren großen Transportern durch eine Stadt, die völlig übersät war mit Fahrzeugen, weil jeder zu diesem Sammelpunkt musste. Also wurde kurzerhand entschieden, dass wir uns nicht im Stau anstellen, sondern mit Warnblinkern einfach alle das Straßenbahnnetz nutzen, um so schnell wie möglich an den Bahnhof zu kommen.
Vor Ort herrschte absoluter Ausnahmezustand!

Der Platz war komplett überfüllt mit Reisebussen, Linienbussen und Kleinbussen. Überall liefen Menschen herum, völlig überfordert mit der Situation.
Alles lief für die Menschen vor Ort kostenfrei ab. Die Busse wurden voll besetzt, sodass lediglich der Fahrer noch ohne Einschränkungen lenken konnte.

Auch wir nahmen in unserem inzwischen leeren Transporter Flüchtlinge mit zur Grenze.

Im Folgenden möchte ich eine Situation teilen, die mich persönlich hier sehr beschäftigte und das auch weiterhin tut. Ein Mann brachte seine Frau, Tochter und Mutter zu uns und fragte, ob wir zur Grenze fahren. Wir bejahten und luden sie ein, bei uns mitzufahren. Unter Tränen stieg seine Familie zu uns in den Transporter. Er blieb noch sehr lange an der Tür stehen bis weitere Leuten kamen und einstiegen.
Zwischendurch kam er erneut zu uns, um sich bei uns zu bedanken und wollte uns zum Dank jedem eine Schachtel Zigaretten schenken. Er unterhielt sich mit uns und meinte: „Ich muss zur Armee“.
Wir alle wissen was das mit sich bringt. Wird er jemals seine Familie wiedersehen? Seine Tochter weinte sich bei uns im Bus in den Schlaf.
Dieses Erlebnis werde ich so schnell nicht vergessen. Und wir stellten uns wieder die Frage: Wie und warum kann und muss sowas heutzutage noch passieren? Hat die Menschheit nichts aus der Vergangenheit gelernt?

Es war mittlerweile 20:00 Uhr als wir uns auf den Weg zur Grenze machten. Ca. 7 Kilometer davor fing die Fahrzeugschlange an. Jeder wollte raus, so viele, die einfach nur verzweifelt waren.
Wir ließen uns sagen, dass man mit dem Auto ca. 4 Tage für die Ausreise braucht.
Unter Polizeibegleitung kam unser Konvoi, welcher mittlerweile aus 9 Reisebussen und mindestens 10 Transportern bestand, an allen vorbei.
Wir fuhren soweit es ging vor, bis zum Stillstand. Wir wussten, dass es noch ein gutes Stück bis zur Grenze war. Die einzige Aussage des Organisators war: „Jungs ihr müsst dranbleiben, denn wenn ihr uns verliert, müsst ihr 4 Tage an der Grenze stehen und warten.“ Und wir mussten beide wieder am Montag um 7:00 Uhr zur Arbeit erscheinen, was uns in dem Moment aber völlig egal war, denn wir hatten eine um Welten wichtigere Aufgabe.

Im Nachhinein war das eine völlig unrealistische Tour. Wir haben zu zweit über 3100 Kilometer zurückgelegt. Wir wurden beide von unseren Arbeitgebern freigestellt, damit wir schon am Freitag losfahren konnten. Auch geschlafen wurde recht wenig, aber trotzdem standen wir unter Gottes Schutz. Der Gott, der uns unsere komplette Tour begleitet hat, der dieses ganze Geschehen erst möglich gemacht hat.
Und dafür möchte ich Danke sagen und vor allem dankbar sein!

Ich möchte mich auch bei Ihnen/Euch für alle Gebete und Anteilnahme bedanken. Vielen herzlichen Dank.
Euer Jonathan

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