Unser Mitarbeiter Jens Pöschl gibt einen aktuellen Einblick in seine und Beatrix Konradis Arbeit im Annaberger CVJM-Jugendhaus „Alter Schafstall“. „Die Weisheit aber, die von Gott kommt, ist vor allem aufrichtig; außerdem sucht sie den Frieden, sie ist freundlich, bereit nachzugeben und lässt sich etwas sagen. Sie hat Mitleid mit anderen und bewirkt Gutes; sie ist unparteiisch, ohne Vorurteile und ohne alle Heuchelei. Nur wer selbst Frieden stiftet, wird die Gerechtigkeit ernten, die dort aufgeht, wo Frieden herrscht.“ (Jak3,17-18)
Früh am Morgen, kurzer Blick aufs Handy. Okay, keine Nachrichten und bei der Gelegenheit noch kurz den Status bei Whats App überfliegen – schon bin ich mit einigen mehr oder weniger hilfreichen Ratschlägen für den Tag ausgestattet. Einiges davon findet auch meine Zustimmung und kurze Zeit später stehe ich dann mitten im Geschehen des Tages. Sprüche und Bibelverse hin oder her – nur meine innere Zustimmung bringt niemandem einen Gewinn. Die Herausforderung liegt darin, den Bibelvers praktisch umzusetzen. Aufrichtig und freundlich sein, nachgeben, sich etwas sagen lassen, Mitleid haben, Vorurteile ablegen, Frieden stiften: das alles kommt von der Weisheit Gottes. Und für uns selber gilt: „Nur wer selbst Frieden stiftet, wird Gerechtigkeit ernten …“
All das, was von Gott kommt, muss auch gelebt, praktiziert und umgesetzt werden. Und dazu braucht es folgerichtig ein Gegenüber, sonst würden wir ja nur gegen uns selber aufrichtig, freundlich und nachgiebig sein. Dabei rede ich nicht von den Leuten, die uns ohnehin sympathisch sind und mit denen wir gerne Zeit verbringen. Ich behaupte nicht, dass ich von unsympathischen Menschen umgeben bin. Aber wir wissen alle, dass es im Miteinander sehr herausfordernd sein kann.
An dieser Stelle möchte ich gerne einen Einblick in unsere Arbeit im „Schafstall“ geben. Dieses Jugendhaus ist eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche aus der ganzen Stadt, besonders aus dem Neubaugebiet. Seit einigen Jahren ist die Anzahl der Besucher aus vielen Ländern sehr angestiegen. Wir kommen ungefähr auf zwölf verschiedene Nationen im Haus. Das Spektrum an Herausforderungen ist sehr vielfältig, da ist von allem etwas dabei. Ich weiß nicht, welche inneren Bilder bei euch darüber ablaufen, wie es bei uns zugeht. Aber es ist viel besser, als manche vielleicht vermuten. Natürlich ist es laut, sehr laut manchmal. Und manchmal auch sehr eng, weil das Haus voll ist. Fünfzehn Leute an der Tischtennisplatte und acht Leute um den Billardtisch sind normal. Deutsch-Rap und arabische Musik heben den Lautstärkepegel so lange an, bis die Mitarbeiter dem eine Grenze setzen. Manchmal gilt es auch, Spannungen abzubauen, ehe es eskaliert. Trotzdem bin ich immer wieder beeindruckt, wie gut das Miteinander funktioniert. Das Potential, dass es zu mehr oder weniger großen Auseinandersetzungen kommen kann, ist sehr hoch. An dieser Stelle möchte ich auf den Bibelvers vom Beginn zurückkommen, den sich jeder noch einmal im Kontext mit dem Jugendhaus ansehen kann. Freundlich, unparteiisch, mitfühlend, aufrichtig sein: Das gibt uns Gott mit auf den Weg und genau das gilt es zu leben.
An einem Abend wurde eine Meinungsverschiedenheit handfest ausgetragen, was für den Moment sehr unschön war. Es waren relativ viele Beteiligte, was den Vorteil hatte, dass am nächsten Tag auch viele zum gemeinsamen Gespräch bei uns waren. Wir sprachen darüber, wie sich die Jugendlichen diesen Ort wünschen. Sehr schnell konnten wir uns darauf verständigen, dass das Jugendhaus ein Ort des Friedens sein soll. Ein Ort, an dem Respekt und Wertschätzung gelebt werden, wo niemand Angst haben muss, wo man sich angenommen und geliebt fühlt. Wie erreichen wir das? Natürlich nur, wenn wir gemeinsam daran arbeiten und uns so verhalten. Noch einmal die Frage: Was hat uns Gott mit auf den Weg gegeben? Nur wer selbst Frieden stiftet, wird die Gerechtigkeit ernten, die dort aufgeht, wo Frieden herrscht. Das zu leben ist natürlich nicht einfach, aber möglich. Christen sind in besonderer Weise dazu berufen und ausgestattet, es umzusetzen.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt, von dem, was unsere Arbeit ausmacht. Die meisten Besucher sind jeden Tag bei uns. Sobald die Kinder aus der Schule kommen, sind sie da und die Jugendlichen warten schon dar auf, dass wir für sie öffnen. Das Tagesprogramm geht von einfach Spielen, Reden, kreativen Angeboten bis hin zu Bewerbungen schreiben, Arbeit suchen oder Starthilfe bei der ersten eigenen Wohnung geben. Wir wollen Sorgen und Probleme teilen. Manchmal können wir einfach nur zuhören und sind selber ratlos. Die letzten Monate haben die Situation für die Flüchtlinge auch nicht einfacher gemacht. Das Haus ist für sie ein geschützter Rahmen, und den gilt es zu erhalten. Wo sich die Gelegenheit bietet, teilen wir gerne unseren Glauben und unsere Hoffnung. Auch das gilt es zu leben, so dass aus dem friedlichen Miteinander ein tiefer Friede mit Gott werden kann.
