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Pustekuchen

GEDANKEN ZU PSALM 46 VON KARIN BAUDACH

„Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.
Kommt her und schauet die Werke des HERRN, der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet, der den Kriegen steuert in aller Welt. Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Ich will der Höchste sein unter den Heiden, der Höchste auf Erden.“

(Verse aus Psalm 46, Luther 1987)

So Gott will, jährt sich der Tag meiner Ordination zur Pfarrerin im kommenden Jahr zum 30. Mal. Seit 1999 wohne ich im Pfarrhaus Lawalde, Oberlausitz, und kann mit Psalm 16 Vers 6 nur immer wieder glücklich bekennen: „Das Los ist mir gefallen auf liebliches Land.“ Ich lebe gut eingebettet in eine freundliche, friedliche Gemeinde mit echten Brüdern und Schwestern. Wenn ich aus der Tür trete, stehe ich im Grünen und die Kätzchen springen mir entgegen. Ich kann im kleinen Garten die frische Petersilie holen und die Wäsche draußen aufhängen. Ja, ich bin reich gesegnet und wann immer es eine Not gab, ist Jesus mir wahrhaft Hilfe, Zuversicht und Stärke gewesen.

Was haben wir mit unseren Konfirmanden und Jugendlichen in all den Jahren nicht alles veranstaltet und unternommen! Für einen Jugendgottesdienst schoben wir z. B. ein Motorrad in die Kirche. Bei einer Fahrt nach Berlin schenkten wir Prostituierten Rosen und sagten ihnen, wie wertvoll sie für Gott sind. Wir schrieben alle möglichen großen und kleinen Firmen an und sammelten auf diesem Weg tausende Euro, von denen später Bäume gekauft und in der israelischen Wüste gepflanzt wurden. Wir bekamen Kontakt zu einer Frau, die Auschwitz überlebt hat und besuchten sie in Köln. Alles Dinge, an denen Gott mit Sicherheit Wohlgefallen hat und die er mit reichlich Segen beantwortet.

Nach menschlichem Ermessen müsste die Kirchgemeinde ebenso herrlich sichtbar grünen und blühen wie die Natur rund ums Pfarrhaus. Aber: Pustekuchen! Kaum jemand von den ehemaligen Konfirmanden hat seinen Platz in der Kirchgemeinde gefunden. Manchmal nehme ich mir die Hefte vor, in denen ich die wöchentliche Anwesenheit beim Konfirmandenunterricht eingetragen habe und wo daher alle Namen jahrgangsweise verzeichnet sind. Dann bete ich alle der Reihe nach durch. Wie oft muss ich leider dabei denken: „Den/die hast du nach der Konfirmation nie wieder gesehen.“ Die alten treuen Gemeindeglieder sterben, die Besuchszahlen bei den Gottesdiensten sinken und die Regionalisierung bereitet uns arge Kopfschmerzen. Und in diese Gegebenheiten trifft der Vers 11 aus Psalm 46 genau ins Schwarze: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“

Zum einen liefert er einen wunderbaren Trost: Über allem scheinbar Vergeblichen bleibt Gott doch der HERR. Nichts entgleitet ihm. Er steht zu seinem Wort und er wird es bis ins kleinste Detail erfüllen. Worauf Gott Segen verheißen hat, dort hat er gesegnet, auch wenn wir es mit unseren Augen nicht immer sehen. Ich bin gewiss, dass wir in der Ewigkeit jubeln werden über all der Frucht, die aus unserer Mühe gewachsen ist. Die Plätze, die Jesus an seinem Tisch vorbereitet hat für die Kirchgemeinde Lawalde (Löbau, Schönbach und Dürrhennersdorf mit eingeschlossen), werden in der Ewigkeit nicht leer bleiben. Es werden viele Gerettete sein und fröhlich werden wir Gott anbeten. „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“ ist ein Trostwort, aber auch ein Machtwort.
Denn dieser Vers korrigiert heilsam unsere Sicht auf den Gott der Bibel. Bringt er uns doch auf die Knie vor ihm, dem höchsten, allmächtigen, allein weisen und herrlichen Gott, der einen „Kopf für sich“ hat. Ja, wir müssen erkennen und anerkennen, dass Gott einen eigenen Willen und seinen persönlichen Zeitplan hat. Dass er wirklich eine Person ist, die denkt und fühlt, urteilt, entscheidet, beschließt und ausführt. Und dabei lässt er sich von keinem Menschen reinreden oder beeinflussen. Beides gilt: Wir beten und wirken entsprechend dem Wort Gottes und Gott wird segnen und antworten. Aber wir legen auch immer wieder alles aus unserer Hand und stehen still, anerkennen und nehmen aus Gottes Hand, wie und was geschieht. Das kann manchmal sehr schwer sein und der seelsorglichen und therapeutischen Hilfe bedürfen.
Im Augsburger Bekenntnis von 1530 haben die Reformatoren geschrieben, dass der Heilige Geist den Glauben wirkt, „wo und wann er will, in denen, die das Evangelium hören“ (Artikel 5). Wo und wann ER will. Wir haben es nicht in der Hand, wann und wie ein Mensch zum Glauben kommt. Aber dass Gott Fürbitte beantwortet und dass sein Wort niemals ohne Frucht bleibt, steht außer Frage. „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!“ will für alle, die ernsthaft und mit Fleiß für das Reich Gottes engagiert sind, eine echte „Entspannungsübung“ sein. Es ist nicht schlimm, im Urlaub einmal die tägliche Fürbitte zu unterlassen oder nach einer Zeit ganz aufzuhören, für einen bestimmten Menschen zu beten. Was Gott will, wird er sowieso tun. ER arbeitet und wir dürfen immer wieder ruhen. Im hebräischen Urtext bedeutet das Wort, das Luther mit „seid still“ übersetzt hat, tatsächlich „ablassen“, „untätig sein“.

Respekt verlangt uns der Vers davor ab. Von Gott wird gesagt, dass er „den Kriegen steuert in aller Welt“ und dass er „auf Erden solch ein Zerstören anrichtet“. Da kommt das Thema Gericht ins Blickfeld. Gott öffnet Ohren und Herzen, aber er verschließt sie auch. Gott lässt ganze Völker wachsen, aber auch vergehen. Und das Thema Krieg? Der Mensch, nicht Gott, schmiedet Waffen und tötet damit. Wunderbar aber ist das Wort, was im Hebräischen für „steuern“ steht. Ihr kennt es alle. Es ist die Wortwurzel schabbat. „Der den Kriegen steuert in aller Welt“ bedeutet sinngemäß: „der den Kriegen den Schabbat befiehlt“, also sie aufhören lässt, zu Ende bringt. Und mit der Frage, warum Gott dies nicht sofort weltweit tut, gehen wir zu IHM und hören seine Antwort: Gib mir diese Frage, lass sie los. Zu der Zeit, wenn ich sichtbar der Höchste sein werde auf Erden über alle Völker, dann wirst du den Sinn erkennen. Aber sei getrost, auch inmitten der Schrecken von Krieg und Gewalt bin ich Hilfe, Zuversicht und Stärke für mein Volk. In dieser Gewissheit darf dein Herz ruhen.

Karin Baudach, Lawalde/OL,
ist Pfarrerin im Kirchspiel „Oberes Spreetal“