Ich bin … Ihr seid

Viele von uns freuen sich auf die Weihnachtszeit. Bei Kerzenschein zusammenzusitzen, sich gemeinsam über die Geburt Jesu zu freuen und an seine Wiederkunft zu denken. Vielleicht sogar etwas zur Ruhe kommen. Das ist schön und wohltuend. Aber zugleich wollen wir daran denken: Weihnachten ist die große revolutionäre Wende der Weltgeschichte.

Es ist Mitte September. Plötzlich ist die Temperatur um 20 Grad gefallen. Dreieinhalb Tage heftiger Regen bei 7°C. Dann, am nächsten Morgen, ich glaub es kaum, die Sonne scheint! Schnell nehme ich meinen Kaffee, eine dicke Jacke und setze mich draußen in die Sonne. Einfach herrlich, ihre Strahlen auf meinem Gesicht zu spüren. Der Garten beginnt zu leuchten. Meine Seele lebt auf.
Wenig später läutet das Telefon. Als ich wieder auflege, habe ich zugesagt, diesen Artikel zu schreiben. Die Begeisterung über das Licht dieses Morgens hat mich in Beschlag genommen.

Das Licht nimmt in der Heiligen Schrift eine zentrale Rolle ein. Schon im dritten Vers, vor der Erschaffung der Himmelslichter, taucht es auf. Gott sprach: „Es werde Licht! … Und Gott trennte Licht und Finsternis voneinander“ (1Mos 1).
Auch in der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch der Bibel, wird uns von dem Licht Gottes berichtet. So heißt es über das neue Jerusalem: „Es wird dort auch keine Nacht mehr geben, und man bedarf keines Lampenlichts und keines Sonnenlichts; denn Gott der Herr wird ihnen leuchten“ (Offb 22,5).
Gott ist Licht und wo er am Wirken ist, wird es hell. Licht ist rein, es wärmt, macht Leben möglich und wohin es scheint, da beginnt alles zu leuchten. Licht vertreibt die Finsternis. Diese Wahrheit haben wir schon als Kinder mit einer Taschenlampe unter unserer Bettdecke entdeckt.
Über das Finstere unserer Tage brauche ich nichts zu schreiben. Bei aller Schönheit der Schöpfung ist das Zerstörerische, Gottferne nicht zu übersehen. Die Quelle, so berichtet uns die Bibel, sind die Mächte der Finsternis, die durch die Sünde herrschen. So auch in den menschlichen Herzen. Diese anhaltende Finsternis macht unfrei und lässt bei vielen die Sehnsucht nach einem Leben im Licht Gottes groß werden.

Beim Propheten Jesaja ist Licht eines der großen Themen. Der Prophet verkündete dem Volk Israel: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im Land der Todesschatten, scheint es hell“ (Jes.9,1).
Diese Prophetie nahm Johannes der Täufer auf und wies auf Jesus, das Licht der Welt, hin. Er weckte die Hoffnung des Volkes nach dem verheißenen Messias wieder auf. „Es war ein Mensch, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, um von dem Licht Zeugnis zu geben, damit alle durch ihn glaubten“ (Joh 1,6-7).
Im Weiteren berichtet uns der Apostel Johannes, dass Jesus mit seiner Verkündigung das Leben seiner Zeitgenossen ins Licht stellte: Es wurde offenbar, dass ihre Werke böse waren und ihr Urteil selbstgerecht – waren sie doch gefangen in der Finsternis. Diese Finsternis wird in Unglauben, Sünde, Unreinheit und Unwahrheit sichtbar. So sprach Jesus nach der Begegnung mit der Ehebrecherin und ihren Anklägern: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, son­dern er wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12).
Welch herrliche Zusage. Jesus ist gekommen, um die Schöpfung zu befreien. Gott weiß um die Unfähigkeit der Menschen, sich selbst aus der Gefangenschaft der Finsternis zu befreien und sandte seinen Sohn Jesus Christus. Er allein hat die notwendige Autorität, Kraft und Vollkommenheit, der Finsternis siegreich entgegen zu treten. Aber nicht für sich, sondern für uns.
Ja, noch mehr. Er kam, um uns ein völlig neues, ewiges Leben zu geben. Ein Leben, das geprägt ist von der Gemeinschaft mit Jesus. Ein Leben, in dem wir lernen können, unseren Alltag in Liebe, Gerechtigkeit, Wahrheit, Reinheit und Vertrauen auf unseren Gott zu leben. Das ist möglich geworden, da Jesus am Kreuz alle unsere Sünde auf sich nahm. Jetzt können wir im Licht Gottes stehen. Umstrahlt von völliger Wahrheit, reingewaschen durch das vergossene Blut Jesu.
Das ermöglicht uns eine neue Lebensperspektive. In seinem Licht sehen wir das Licht und erkennen: Wir sind geliebt und haben einen Vater im Himmel. Eine ewige Heimat im Himmel, ohne Tod, Leiden, Schmerz. Ohne die Möglichkeit zu sündigen. Einfach herrlich!

So lange Jesus in Menschengestalt auf dieser Erde wirkte, war er für die Menschen seiner Umgebung sichtbar das Licht in der Finsternis. Das änderte sich mit seiner Rückkehr in den Himmel. Schon frühzeitig bereitete er daher seine Jünger auf die Weiterführung seines Auftrages vor. Sie sollten diese Nachricht auf der ganzen Erde allen Menschen bekannt machen: Es gibt einen Weg aus der Herrschaft der Finsternis, hin zu einer persönlichen Gemeinschaft mit dem ewigen, heiligen Gott. Dieser Weg ist Jesus. Das darf nicht verborgen bleiben.
Oh ja, Christen sind keine Untergrundarmee des Himmels. Licht kann nicht verborgen sein. Es fällt auf. Es ist ein deutlicher Kontrast zur Dunkelheit. Es lockt an, es heilt, es wärmt.
Zugleich konfrontiert das Licht Gottes uns mit der Wahrheit, denn das Verborgene wird sichtbar. Das kann schockieren. In manchem Herzen bringt es Ablehnung und Hass hervor. Die Aussage „Wir wollen nicht, dass dieser über uns regiert“ (Lk 19,14) ist immer noch aktuell. Denn dieses Licht zeigt nicht nur den Weg der Befreiung. Es offenbart auch den Herrschaftsanspruch Jesu. Daran stoßen sich viele und wenden sich ab.
So wie das Leben und Wirken Jesu damals nicht unbemerkt blieb, kann auch heute ein gelebter Glaube nicht lange übersehen werden. Wir werden geradezu herausgefordert, aufzufallen. Euer Licht soll leuchten vor den Menschen, befiehlt uns Jesus. Unsere guten Taten sollen eine so deutliche Sprache reden, dass Menschen in unserem Umfeld anfangen, nach Gott zu fragen. Seine Gnade soll sichtbar werden in unserem Leben.
Dazu gehört, dass unser Reden und Handeln zusammenpassen. Sicher wird uns nicht alles gelingen. Aber als Menschen, die keine Strafe Gottes mehr befürchten müssen, ist es für Christen besonders wichtig, auch zur Wahrheit der eigenen Fehler zu stehen und sich z. B. bei seinen Mitmenschen zu entschuldigen.
Wenn wir von der Wahrheit des Evangeliums reden, dann dürfen sie sehen, dass auch wir Menschen sind, die immer wieder Vergebung brauchen und anderen gewähren. In solchen Situationen kommt das Licht zu einer besonderen Wirkung. Die Barmherzigkeit Jesu wird sichtbar. Er hat uns angenommen, vergeben, berufen, geheilt aus Liebe. Diese Liebe Gottes soll durch uns erlebbar werden. Daher sind wir aufgefordert zu vergeben, wie uns vergeben wurde.

Ihr seid das Licht der Welt. Eine herrliche, her­ausfordernde Berufung. Wird Jesus an uns, durch uns sichtbar? Wir alle kennen Christen, an denen wenig davon erkennbar ist. Geschwister die ein abstoßendes Verhalten zeigen. Immer wieder begegnen wir ihnen. Manchmal auch vor dem Spiegel. Einige unserer antrainierten Gewohnheiten sind uns so selbstverständlich, dass wir sie für normal halten. Im 1. Johannesbrief lesen wir, dass es möglich ist, als Christ in der Dunkelheit zu wandeln. Das helle Licht wird zur Funzel. Manchmal erlischt es ganz.
Was können wir tun?
David betet im 119. Psalm: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“
Hier finden wir ein Gebet, das garantiert erhört wird. David hatte an sich selbst erlebt, wie unser menschliches Herz voller Selbstbetrug oder Selbstzweifel sein kann und wir an Gottes ewigem Weg vorbeileben können.
Wir haben die Zusage Jesu, dass der Heilige Geist uns in alle Wahrheit führt. Auch in die Wahrheit über unser Leben. Gott hält uns den Spiegel vor. Sicher durch sein Wort, aber auch durch unsere Mitmenschen oder Umstände.

Das erinnert mich an eine Anekdote, in der ein Gläubiger in den Himmel kommt und sich darüber beschwert, dass sein Leben auf dieser Erde so kurz war. Er wirft Gott vor: Warum hast du mich nicht gewarnt? Und Gott antwortet ihm: Ich habe dir deine Frau, deine Freunde und deine Nachbarn geschickt. Aber du hast auf niemanden gehört.
Es lohnt sich einmal, den oft übersehenen 1. Johannesbrief zu studieren. Dieser warnt uns sehr klar vor Selbstbetrug. Zugleich finden wir darin eine befreiende Nachricht. „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit“ (1Joh 1,9).
Nur wenn wir unser Leben im Licht Gottes gestalten, können wir Licht in dieser Welt sein. Denken wir an den Mond. Er reflektiert auf wunderbare Weise das Sonnenlicht. Er beschwert sich nicht, dass er keine kleine Sonne sein darf. Er ärgert sich nicht über die Dunkelheit und wendet sich ab. Er strahlt am Nachthimmel. Je klarer die Luft ist, je weniger zwischen ihm und der Sonne steht, desto heller wird sein Schein.
Es bedarf keiner besonders großen Anstrengungen oder Fähigkeiten und Gaben, um unser Licht vor den Menschen leuchten zu lassen. Es genügt völlig, dass wir in der Gemeinschaft mit Jesus bleiben. Paulus formuliert es im Kolosserbrief so: „Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm“ (Kap.2,6).
Wir halten fest an dem, was wir empfangen haben – das Evangelium der Gnade, die Vergebung, das neue Leben mit all den Verheißungen Gottes – und setzen es mehr und mehr in unserem Leben um. Wir empfangen Jesu Hilfe, den Beistand des Heiligen Geistes in unserem Alltag. Zugleich erneuern wir immer wieder die Hingabe, die wir am Anfang unseres Glaubenslebens Jesus versprochen haben. Dann fließen Gottes Segensströme in unser Leben und wir erfüllen so unseren Auftrag, Licht der Welt zu sein.

Unvergleichlich schön drückt dies Gerhard Tersteegen in seinem Lied „Gott ist gegenwärtig“ aus:
„Du durchdringest alles;
lass dein schönstes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte.
Wie die zarten Blumen willig sich entfalten
und der Sonne stille halten,
lass mich so still und froh
deine Strahlen fassen
und dich wirken lassen.“

Das Licht Gottes bricht ein in das Reich der Finsternis und breitet sich aus. Und du und ich, wir sind seine Boten. •

Frank Seyfried
ist Mitarbeiter im OscH e.V.
Er ist verheiratet mit Kathrin
und lebt in Julbach am Inn.